Riesen-Meeresschildkröte in Grube von Groß Pampau „aufgetaucht“ – Artenvielfalt in der Ur-Nordsee
Die Kies- und Tongrube von Groß Pampau im Herzogtum Lauenburg ist bekannte Fundstätte europaweit einzigartiger Großfossilien wie Walen, Delfinen und Haien nebst versteinerten Belegen der Lebewelt eines vergangenen Ökosystems aus einer Zeit vor über 11 Millionen Jahren. Im Lübecker Museum für Natur und Umwelt sind etliche der vielfältigen und hervorragenden Stücke ausgestellt.
Der Abbau von Glimmerton auf dem Betriebsgelände der Kieswerke Ohle & LAU läuft nonstop und auch die Mitglieder des Grabungsteams des Museums, die „Walgräber“, kennen keine Pause und kein schlechtes Wetter. Entsprechend wurde in den vergangenen Monaten unter Einhaltung der gültigen CORONA-Hygiene- und Sicherheitsvorschriften soweit möglich weitergearbeitet. Es hat sich gelohnt: Der Glimmerton in der Grube hat erneut Spektakuläres preisgegeben, das der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Am letzten Samstag, den 4. Juli 2020 hat das paläontologische Grabungsteam mit seinem Leiter Gerhard Höpfner zu einer spektakulären sommerlichen „Knochenshow“ und zum Ortstermin eingeladen. Die Bandbreite reicht vom fossilen Knochen eines Sturmvogels bis zu den Überresten einer riesigen Meeresschildkröte.
Riesen-Meeresschildkröte in Grube von Groß Pampau „aufgetaucht“
Fund gilt als außergewöhnliche Seltenheit
2013 fragte ein Fernsehteam den Grabungsleiter, welchen Entdeckungswunsch er eigentlich noch in Groß Pampau hätte? Der hatte spontan geantwortet: „Eine kapitale Meeresschildkröte!“ Jetzt hat sich der Wunsch anscheinend erfüllt. Erstmals wurden in Pampau größere zusammenhängende Skelettteile aus dem mächtigen Rückenpanzer, dem sogenannten Carapax, sowie vermutlich dazu Knochen der Extremitäten einer Lederschildkröte (Psephophorus) entdeckt. Lederschildkröten können über zwei Meter Körperlänge erreichen. Meist zerfällt der auf dem Wasser treibende Panzer einer Schildkröte sehr schnell oder der Kadaver stand auf dem Speiseplan von Prädatoren. So können nur gelegentlich und nur wenige Einzelfragmente eines Schildkrötenpanzers im Glimmerton - Sediment gefunden werden.
Fossile Funde sind daher weltweit sehr selten und gelten wissenschaftlich als bedeutsam und von hohem Wert. Mehrere 100 Einzel - Panzerplatten sind in einer aufwendigen mehrwöchigen Grabungsaktion von den Mitgliedern des Teams des Museums freigelegt und geborgen worden.
Zuvor gab es einen weiteren Fund in unmittelbarer Nähe von Bauchpanzerplatten, dem Plastron, einer kleineren Meeresschildkröte (Chelyopsis spec.). Beide Entdeckungen gelangen dem Gra-bungsleiter Gerhard Höpfner, der viele Jahre trotz intensiver Suche kein Finderglück hatte. Der gesamte Grabungsbereich musste zunächst geschützt werden. Der Glimmerton aus dem gesamten Grabungsumfeld wurde ausgekoffert, in die Nähe einer Wasser- Entnahmestelle transportiert und von Svenja Warnke und Martin Kupsch geschlämmt und ausgesiebt. So konnten auch kleinste Knochenfragmente gesichert werden. Bei der Durchsicht kamen Knochen- und Knorpelfisch, Tintenfisch- und Stachelhäuterreste zum Vorschein. Komplettiert wird die Ausbeute der ersten Monate dieses Jahres durch seltene Molluskenfunde, Korallenfunde, Rochenstachel, Tauchvogel-Knochen, Robbenfragmente, Bartenwal- und Zahnwalreste. Der von Andreas Malchow kürzlich entdeckte Delphin-Schädel ist ebenfalls zu sehen. Die Jagd nach Fossilien in Groß Pampau geht in großem Maßstab weiter und wird neues weitreichendes paläontologisches Potenzial und Überraschungen bereit halten. Angestrebt wird ein möglichst vollständiges Bild der Thanatozönosen, der „Totengemeinschaften“ von Organismen, die versteinert gemeinsam fossil überliefert werden. Sie geben Auskunft über das Gesamt-Ökosystem, die Biodiversität und die klimatischen Bedingungen der damaligen Ur-Nordsee vor 11 Millionen Jahren. Diese war wesentlich wärmer und artenreicher als die heutige Nordsee.
Das ehrenamtlich arbeitende Team wird durch den Lübecker Gerhard Höpfner geleitet. Förderer der diesjährigen Grabungen sind das Land Schleswig Holstein, die Gemeinnützige Sparkassenstiftung zu Lübeck und die Friedrich Bluhme und Else Jebsen-Stiftung Lübeck.
Die Funde erhält nach der Präparation und Montage das Museum für Natur und Umwelt der Hansestadt Lübeck.