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Kabinettschränkchen

Neue Kabinettausstellung im St. Annen-Museum: Stroh, kostbar wie Gold. Lübecker Strohmarketerien des 18. Jahrhunderts

Laufzeit: 22. Juli bis 8. Oktober 2017

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Pressemitteilung vom 21.07.2017
Stroh – ein so billiges Material soll kostbar sein wie Gold? Im St. Annen-Museum erbringt die Kabinettausstellung Stroh, kostbar wie Gold. Lübecker Strohmarketerien des 18. Jahrhunderts vom 22. Juli bis 8. Oktober 2017 den Beweis: Aus einfachen Strohhalmen stellte der Lübecker Carl Hinrich Hering um 1710 bis 1730 so wunderschön verzierte Kästchen und Dosen her, dass sie als Liebesgaben begehrt waren und als Kuriosa fürstliche Kunst- und Wunderkammern bereicherten. Heute sind nur wenige der Stroharbeiten aus der Werkstatt des ab 1694 in Lübeck aktenkundigen Meisters Carl Hinrich Hering erhalten. Ein gutes Dutzend solcher Arbeiten in Form kleiner Dosen und größerer Schatullen, Bildtafeln und Schmuckkästchen besitzt allein das St. Annen-Museum.

Dass die hochempfindlichen Arbeiten nun aus dem Depot des Museums ans Licht der Öffentlichkeit geholt werden, hat einen besonderen Anlass: die Erwerbung eines spektakulären Kabinettschranks, das mit 13 bildlichen Szenen von Elementen, Liebespaaren und Tugenden – filigran aus gebügelten Strohhalmen geschnitten – wie mit Furnier belegt ist. „Dieses prachtvolle Kunstkammerstück hat den Anstoß gegeben, unsere 300 Jahre alten Kunstwerke neu wert zu schätzen, es hat aufs Neue die Forschung beflügelt: So sind jetzt an einigen Orten in Deutschland und Europa bislang unerkannte Strohmarketerien der Hering-Werkstatt aufgetaucht“, so Dr. Bettina Zöller-Stock, die die Ausstellung kuratiert.

Die Besonderheit der empfindlichen Kunstobjekte liegt in den zusammengesetzten bildlichen Szenen und ornamentalen Verzierungen aus eingefärbten, geplätteten und im Formen geschnittenen Strohhalmen. Sie werden passgenau auf einen Holzkorpus aufgeleimt, ähnlich wie bei Rokoko-Möbeln mit Marketerie-Furnier, und wirken wie Gemälde. Der goldene Schimmer der polierten und eingefärbten Halme machten diese Lübecker Spezialität berühmt, so dass einige Stücke sogar Eingang in die im Barock so beliebten Kunst- und Wunderkammern fanden. Dort werden sie z.T. heute noch museal präsentiert, wie etwa in Kassel, Braunschweig und Hannover. Typisch für Werke aus der Hering-Werkstatt sind die emblematischen Szenen mit Sinnsprüchen, die sich der Funktion oder dem Anlass entsprechend deuten lassen: Die meisten solcher Kästchen sind wohl Liebesgaben gewesen. Ein sensationeller Fund in Lübecker Privatbesitz, eine Bibel von 1714 mit Strohmarketerie von C. F. Hering, ist ein Highlight der Präsentation.

Anlass und Mittelpunkt der Kabinettausstellung – im doppelten Sinne ! – bildet ein seltenes Kabinettschränkchens mit Strohmarketerie von Carl Hinrich Hering. Der ebenholzschwarze, schlichte Kasten offenbart dem Betrachter beim Öffnen der beiden Flügeltüren sein prunkvoll dekoriertes Innenleben: Die Flügelinnenseiten und die neun Schubladenfronten sind mit Marketerie aus goldfarbenem und eingefärbtem Stroh belegt. In barocker Formensprache sind auf den Schubladen figürliche Szenen vor Landschaftsstaffage dargestellt. Sie verbildlichen Allegorien und Sinnsprüche (Emblemata), zum Teil sind diese auch als Text ins Stroh graviert. Die kleinteiligen figürlichen Szenen, die filigranen Blütenranken und die Würfelbänder um die Bildfelder zeugen von C. H. Herings großer Meisterschaft und persönlichen „Handschrift“. 1712 fertigte er dieses Prachtstück wohl in seiner Lübecker Werkstatt – 2017 kehrt es zurück an den Ort seiner Entstehung: Der Verein der Freunde der Museen für Kunst und Kulturgeschichte der Hansestadt Lübeck hat dieses Meisterwerk für das Museum und damit für die Öffentlichkeit erworben. Im Rahmen der Kabinettausstellung erfolgt die feierliche Übergabe der bedeutenden Dauerleihgabe an das St. Annen-Museum. „Wir sind sehr glücklich über diesen besonders seltenen und gleichermaßen kostbaren wie schönen Zuwachs in unserer Sammlung. Es handelt sich um ein echtes Spitzenstück“, freut sich Museumsleiterin Dagmar Täube.

Den goldfarbenen Glanz der Dosen und Kästchen aus dem Museumsdepot, die nun gemeinsam mit dem neuen Hauptstück ihrer Objektgruppe, dem Kabinettschränkchen, im St. Annen-Museum gezeigt werden, haben Potsdamer Studierende der Fachrichtung Restaurierung wieder hervorgeholt und die ursprünglichen goldenen Schimmer so wieder erfahrbar gemacht. Im Rahmen von Semesterprojekten reinigten und sicherten sie 12 Museumsobjekte aus der Hering-Werkstatt unter Anleitung von Frau Professor Angelika Rauch. Deren Diplomarbeit hatte 1998 erstmals ein Lübecker Strohkästchen im Besitz des Kunstgewerbemuseums Berlin aus konservatorischer Sicht behandelt. Die Ergebnisse der Konservierungsarbeiten und ein Werkverzeichnis der Hering-Werkstatt werden in einer reich bebilderten Begleit-Publikation mit vier wissenschaftlichen Aufsätzen (144 S., ca. 200 Farbabb., 8,00 EUR) dokumentiert, die im St. Annen-Museum erhältlich ist. Die Kabinettausstellung im „Niederländerraum“ (Obergeschoss, Raum 14) des St. Annen-Museums ist ab Samstag, 22. Juli, für Besucher geöffnet.

Rahmenprogramm

S0 | 30.07.2017 | 15 bis 16.30 Uhr | St. Annen-Museum / Museumsquartier St. Annen
„STROH, KOSTBAR WIE GOLD – (K)ein Lübecker Märchen
Öffentliche Führung

SA | 19.08.2017 | 15 bis 16.30 Uhr | St. Annen-Museum / Museumsquartier St. Annen
„STROH, KOSTBAR WIE GOLD – (K)ein Lübecker Märchen
In der Reihe „MuseumsMomente“
Eine glänzende Sammlung kleiner und größerer Kostbarkeiten zeigt, wie aus Stroh Gold werden kann, wenn ein Meister am Werke ist: kleine Dosen, Schatullen, Schmuckkästchen und sogar ein Kabinettschränkchen verbreiten den goldenen Schimmer kunstvoller "Strohmarketerie". Kulturvermittlerin Annette Klockmann führt durch die neue Sonderausstellung und präsentiert die atemberaubende Technik dieses alten Kunsthandwerks.
Eintritt: Erwachsene 11 Euro / Ermäßigte 7,50 Euro / Kinder 6,50 Euro.
Der Eintritt berechtigt auch zum Besuch des St. Annen-Museums.

Stroh, kostbar wie Gold
Eine Kabinettausstellung im St. Annen-Museum
St. Annen-Museum / Museumsquartier St. Annen
Kulturstiftung Hansestadt Lübeck
St. Annen-Straße 15 | 23552 Lübeck
Telefon +49 451 1224137
mq@luebeck.de

 

Die Bilder sind unter Angabe der Copyrights zur Veröffentlichung im Rahmen der Berichterstattung zur Veranstaltung freigegeben:

Bild: Schrank

Engel auf Strohdose
(c) St. Annen-Museum Lübeck, Fotoarchiv
Kabinettschränkchen
(c) St. Annen-Museum Lübeck, Fotoarchiv
Strohschachtel
(c) St. Annen-Museum Lübeck, Fotoarchiv
Strohschachtel
(c) St. Annen-Museum Lübeck, Fotoarchiv